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Johann Zeitlhofer (Biografie eines Rosenheimer Kommunisten)

Johann Zeitlhofer kam zusammen mit seinem acht Jahre jüngeren Bruder Josef ins KZ Dachau. Johann trat allerdings politisch viel häufiger als dieser in Erscheinung. Er war, wie es auf der Transportliste heißt, „führender und sehr aktiver Kommunist.“[1] Johann Zeitlhofer wurde am 24.01.1905 in Rosenheim geboren und wohnte 1933, wie sein Bruder, noch im Elternhaus (Rosenheim, Samerstraße 4). Aus einem Prozessbericht vom 03.06.1939 erfahren wir einiges über das berufliche Leben von Johann Zeitlhofer:

„Zeitlhofer Johann, der Sohn eines Hilfsmonteurs in Rosenheim, erlernte in Arnstorf das Hammerschmiedhandwerk. Im Jahre 1922 kehrte er nach Rosenheim zurück und fand dort mehrere Monate zunächst in Wagenreparaturwerkstätten und später vorübergehend bei der Firma Klepper Beschäftigung. Bis zum Jahre 1930 war er sodann erwerbslos, doch konnte er gelegentlich Notstandsarbeiten verrichten.“[2]

Schaut man sich Johann Zeitlhofers politische Aktivitäten an, so findet sich sein Name zum ersten Mal auf einer Liste der Rosenheimer KPD-Mitglieder vom 17.10.1928.[3] Was der 23-Jährige in der Partei konkret machte, wird nicht mitgeteilt. Bei einer Hausdurchsuchung am 22.12.1930 fand die Polizei bei ihm eine Liste mit Mitgliedern des „Antifaschistischen Schutzbundes“ und eine weitere aktuelle Liste mit den Namen von 15 KPD-Mitgliedern.

Johann Zeitlhofer saß derweil in U-Haft, weil er am 03.12.1930 zusammen mit anderen Kommunisten wegen Waffendiebstahls aus einer Ziegelei in Pfaffing verhaftet worden war. Vom Reichsgericht Leipzig wurden alle Beteiligten am 21.08.1931 wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. Zeitlhofer erhielt durch das Urteil vom 21.08.1931 zwei Jahre und sechs Monate Festungshaft.[4]

Ab Juni 1930, so heißt es im Prozessbericht, würde er dem „Antifaschistischen Schutzbund“ als Unterkassier angehören. Eine Mitgliedschaft in der KPD hätte er zwar bestritten, aber erklärt, „für den kommunistischen Gedanken zu kämpfen“. Er hätte auch vor Gericht ständig von „wir Kommunisten“ gesprochen und ihm wäre es selbstverständlich, „daß der Gewalt des gegenwärtigen Staates seitens der Arbeiterschaft ebenfalls Gewalt entgegengestellt werden müsse“. Seine politische Einstellung wäre auch, so das Gericht, sehr gut aus abgefangenen Briefen aus der U-Haft ersichtlich. An eine Hanna Estermann hätte er geschrieben: „Es kommt die Stunde und dann wehe ihnen [sic] allen!“ An die „Genossin“ Reiter: „Werde meine Pflicht, der Rächer für die Armen zu sein, erfüllen“ und an „Genossin“ Heini: „Mit jedem Tag, wo ich länger in Haft bin, werde ich revolutionärer.“[5]

Erst am 20.12.1932 kam Johann Zeitlmann durch eine Weihnachtsamnestie frei und wurde bei seiner Ankunft in Rosenheim von seinen Parteifreunden auf dem Max-Josefs-Platz begeistert empfangen.[6] Kaum zwei Wochen später, am 12.01.1933, war er schon wieder bei Protesten der Kommunisten gegen eine Nazi-Versammlung dabei.[7]

Im März wurde er erneut verhaftet und kam zum dritten Mal ins Rosenheimer Gefängnis, von wo er am 26.04.1933 in das KZ Dachau transportiert wurde.[8] Wie lange er dort bleiben musste, ist nicht belegt, aber es könnten nur einige Monate gewesen sein.

Denn am 18.07.1933 wurde er wieder im KZ Dachau inhaftiert[9], er bekam die Häftlingsnummer 2991 und musste dort bis Januar 1934 bleiben.

Wieder in Rosenheim, brauchte er Arbeit – und weil ein ehemaliger KZ-Häftling überall vergeblich um Beschäftigung suchte, musste er selbständig werden. Zeitlhofer wollte sich als Verkäufer von Reklame-Plakaten versuchen, die er von der Münchner Firma Gimperlein, Plakatvertrieb, Augustenstraße 12, bezog. Ein Antrag auf Genehmigung dieser Tätigkeit wurde aber am 15.10.1934 von der nationalsozialistischen Ortsgruppenleitung des „Gesamtverbandes deutscher Handwerker, Kaufleute und Gewerbetreibender in der Deutschen Arbeitsfront“ abgelehnt.[10]

Erst vier Jahre später erfahren wir Weiteres über Johann Zeitlhofer. Denn am 16.05.1938 wurde er wieder verhaftet und am 03.06.1939 zusammen mit 20 anderen Genossen „wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ vom Oberlandesgericht München zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt.[11] Aus dem Gerichtsurteil erhalten wir weitere Informationen über ihn.[12] So war Zeitlhofer auch Mitglied der „Roten Hilfe“ und der „marxistischen Freien Turnerschaft“. Im Januar und Februar 1933 nahm er an kommunistischen Aufmärschen in Rosenheim teil und verbreitete kommunistische Flugschriften.

Am 04.10.1940 wurde er zum dritten Mal ins KZ Dachau verbracht (Häftlingsnummer: 20130)[13], diesmal überstellt aus dem KZ Sachsenhausen. Wann und warum war er aber dort gelandet? Recherchen über das Archiv der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen liefen leider ins Leere. Mir wurde mitgeteilt: „Fast alle Akten der Kommandantur des KZ Sachsenhausen einschließlich der Häftlingskartei sind von der SS im Frühjahr 1945 noch vor der Befreiung des KZ vernichtet worden.“[14]

Über Sachsenhausen wissen wir, dass dort tausende Häftlinge verhungerten. Morgens gab es einen halben Liter Malzkaffee und Brot und mittags und abends einen halben bis dreiviertel Liter dünne Suppe. Im Laufschritt mussten die ausgemergelten Häftlinge Straßenwalzen ziehen. Wer versuchte, sich auszuruhen, wurde entweder ermordet oder in eine Strafkompanie versetzt, was einem Todesurteil gleichkam.

Jetzt war Johann Zeitlhofer also zum dritten Mal im KZ Dachau. Aktenkundig wurde er dort, weil man ihn vom 01.09.1942 bis zum 02.09.1942 mit „Kommandantur-Arrest“ bestrafte. Zudem erlitt er auch noch einen Eingeweidebruch und lag vom 03.01.1944 – 29.01.1944 auf der Krankenstation. Dann wurde er zum Außenkommando der Parteikanzlei abkommandiert, wo er vom 19.11.1944 bis 22.04.1945 blieb, um anschließend ins Hauptlager zurückgebracht zu werden.[15] Erst am 29.04.1945 wurde Zeitlhofer von der US Army aus dem KZ Dachau befreit.

Überschlägt man Johann Zeitlhofers Haftzeit, so hat er an die 10 Jahre in Haft verbracht. Niemand von uns kann sich auch nur annähernd vorstellen, was er da alles erleben und erdulden musste. Wie wird er die Befreiung empfunden haben? Wie wird die Haftzeit ihn körperlich und seelisch verändert haben? Konnte er nach der Befreiung wieder Fuß fassen?


[1] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908532, Transportliste (Schubliste) der 28 Rosenheimer Kommunisten, die am 26.04.1933 in das KL Dachau transportiert wurden; Nr. 5, Johann Zeitlhofer.

[2] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.2.2.1/11399912, Prozessurteil des Oberlandesgerichts München vom 03.06.1939 gegen Hermann Liebig und 20 andere; hier Nr. 15, Johann Zeitlhofer, S. 21.

[3] StadtA Ro, Akten I A I, 1–80, Liste der Rosenheimer KPD-Mitglieder vom 17.10.1928.

[4] Miesbeck, Peter: Bürgertum und Nationalsozialismus in Rosenheim, S. 208, Rosenheim 1994.

[5] StadtA Ro, Akten I A I, 1–80, Prozessurteil vom 21.08.1931.

[6] StadtA Ro, Akten I A I, 1–80, Bericht über Weihnachtsamnestie vom 20.12.1932, Proteste gegen eine NS-Versammlung in Rosenheim.

[7] Miesbeck, Peter: Bürgertum und Nationalsozialismus in Rosenheim, S. 497, Rosenheim 1994.

[8] Überstellung von „Schutzhäftlingen“ in das KL Dachau, 10.03. – 28.04.1933, S. 124, Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau; NARA, Zugangsbuch Nr. 101, S. 195f.; ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908532, Verzeichnis der Personen, die am 26.04.1933 vom Gefängnis Rosenheim in das KL Dachau gebracht wurden; Nr. 5 Johann Zeitlhofer.

[9] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908813, 2. Einlieferung in das KL Dachau am 18.07.1933, Liste der Bayerischen Politischen Polizei.

[10] StadtA Ro, Akten I B 2, Ehemalige Melde- und Polizeiakten, Akte Johann Zeitlhofer, GeW 10007.

[11] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.2.2.1/11399912, Prozessurteil des Oberlandesgerichts München vom 03.06.1939 gegen Hermann Liebig und 20 andere; hier Nr. 15, Johann Zeitlhofer, S. 4.

[12] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.2.2.1/11399922, Prozessurteil vom 03.06.1939, 15. Johann Zeitlhofer, S. 21/22.

[13] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/0001-0189/0093/0137, 3. Einlieferung ins KZ Dachau aus dem KZ Sachsenhausen; Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau.

[14] Mitteilung der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen an Andreas Salomon vom 02.12.2022, Privatarchiv Andreas Salomon.

[15] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9919092, Liste von Häftlingen aus dem Außenkommando Partei-Kanzlei, München, vom 22.04.1945, an das KZ Dachau.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Andreas Salomon (28. Januar 2025). Johann Zeitlhofer (Biografie eines Rosenheimer Kommunisten). Rosenheimer Miszellen. Abgerufen am 24. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13ji5


Andreas Salomon

Lokalhistoriker - im Bereich der Erinnerungs- und Gedenkkultur in Rosenheim und Umgebung - Räterepublik Kolbermoor

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