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Josef Schober (Biografie eines Rosenheimer Kommunisten)

Der Kommunist Josef Schober wurde am 30.09.1902 als Sohn der „Flußbauarbeitersleute“ Johann und Katharina Schober in Kolbermoor geboren. Als er am 26.04.1933 in das KZ Dachau verbracht wurde, stand auf der entsprechenden Liste hinter seinem Namen: „besonders aktives Mitglied der KPD, Verbreiter von Flugschriften und sonst. Werbematerial“. Josef Schober war verheiratet und lebte als Hausierer in Westerndorf St. Peter.[1]

Was ich über ihn recherchiert habe, ist überaus bedrückend, denn ich kann nicht viel über seine politische Arbeit mitteilen, aber umso mehr über seine Verfolgung durch die Strafbehörden.

Der Beginn seiner politischen Arbeit ist zeitlich relativ genau fixiert. Denn am 28.03.1931 schrieb der Rosenheimer Kommunist Heinrich Klüber an den Genossen Peter Kopp, der zu dieser Zeit politischer Untersuchungsgefangener im Gefängnis München-Neudeck war: „Schober Sepp ist jetzt bei uns.“[2]

Schon bald darauf wurde er wegen seines politischen Engagements das erste Mal aktenkundig, weil er beschuldigt wurde, mit anderen zusammen in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 1931 das Bezirksamtsgebäude, das Kriegerdenkmal und das Arbeitsamtsgebäude mit „roter Ölfarbe beschmiert“[3] zu haben. Schober leugnete die Tat, sie konnte ihm auch nicht nachgewiesen werden.

Ein Vierteljahr später, am 22.08.1931, war er bei einem internen Treffen der Mitglieder des „Kampfbundes gegen den Faschismus“ dabei. Dort ging es unter anderem um die Verteilung von Propagandamaterial. Die Polizei hatte aber davon Wind bekommen. Hauptwachtmeister Johann Bumann stand im Hof der Gaststätte, die sich in der Kastenau befand, und lauschte am Fenster. Schließlich alarmierte er seine Behörde. Die Beamten kamen zwar zu spät, viele waren schon gegangen, aber nicht alle. Sie fanden einige Broschüren und andere Propagandamaterialien. Und aus den beschlagnahmten Unterlagen ging hervor, dass u.a. auch Josef Schober an dem Treffen teilgenommen hatte.[4]

Im März 1932 wurde noch gegen ihn der Vorwurf erhoben, kommunistische Flugblätter vor dem Arbeitsamt verteilt zu haben, und am 11. März hätte er bei der Stadt Rosenheim um die Erlaubnis des Vertriebs der Nr. 2 der Zeitung „Die Fanfare“ nachgesucht, die daraufhin sofort beschlagnahmt worden wäre. Die „Fanfare“ war eine antifaschistische Wochenzeitung, die im Berliner „Prolet-Verlag“ erschien.

Ansonsten muss er bei all seinen politischen Aktivitäten sehr darauf geachtet haben, nicht in die Mühlen der Polizei zu geraten.

Denn diesbezüglich hatte er schon früh seine Erfahrungen machen müssen. Mit 19 Jahren, im Oktober 1921, kam er erstmalig „wegen Entwendung“ mit dem Gesetz in Konflikt und erhielt drei Tage Haft. Es folgten „Diebstahl“, „Passvergehen“, „unerlaubter Getreidehandel“, „Betrug“, „Unterschlagung“, „nächtliche Ruhestörung“ usw., wofür er jeweils kleinere Strafen bekam. Was im Einzelnen passierte, welche Hintergründe, vielleicht politische, gegeben waren, konnte meist nicht eruiert werden. „Nächtliche Ruhestörungen“ wurden allerdings oft angezeigt, wenn nach einer Veranstaltung auf der Straße politische Lieder gesungen wurden. Sogenanntes „unberechtigtes Fischen“, ein weiterer Vorwurf gegen ihn, kam auch häufig vor und deutet natürlich auf die große Armut der Arbeiterklasse hin. So war auch der erwähnte „Betrug“ ein Fahrradkauf, bei dem dann die letzte Rate (33 RM) nicht mehr bezahlt werden konnte. Die drei Monate Gefängnis dafür waren für ihn die höchste Strafe für alle bisherigen Gesetzesübertretungen.[5] Ich denke, es ist sicherlich nicht übertrieben, zu der Einschätzung zu kommen, dass die allgemeine Verelendung in dieser Zeit, besonders für die Arbeiterklasse, einen recht schnell zum Gesetzesübertreter machen konnte. Das gilt auch für den Verdacht des Schweinediebstahls in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1932, also einen Tag vor Heiligabend. Josef Schober konnte zwar nichts nachgewiesen werden, aber lässt es sich nicht nachvollziehen, wenn jemand, der mit seiner Familie ständig an Hunger litt, wenigstens an Weihnachten einmal richtig zulangen mochte? In der Polizeiakte füllt dieser Vorgang viele, viele Seiten.[6]

Dann begann eine über acht Jahre andauernde politische Treibjagd. Am 01.04.1933 wurde Josef Schober verhaftet und in das Rosenheimer Gefängnis eingeliefert.[7] Dort saß er ein, bis er, wie erwähnt, am 26.04.1933 „als besonders aktives Mitglied der KPD“ in das KZ Dachau gebracht wurde.[8]

Sehr lange kann er dort nicht geblieben sein (keine drei Monate), denn am 18.07.1933 kam er bereits zum zweiten Mal nach Dachau. Auf der Liste der Bayerischen Politischen Polizei, die die Einlieferung veranlasst hatte, stehen u.a. auch seine Rosenheimer Genossen Johann Venus, Jakob Grandl, Hermann Liebig, Johann Zeitlhofer, Johann Vogl und Johann Dunker.[9] Josef Schober wurde im KZ Dachau zur Nummer 2990. Leider liegen im Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau keine Entlassungsdaten vor, sodass die Länge seiner Inhaftierung auch hier offenbleiben muss.

Aktenkundig wurde Schober wieder am 20.01.1937,[10] als ihm ein Vergehen als Hausierer zum Vorwurf gemacht wurde. Er hätte keinen Wandergewerbeschein und erhielt deshalb 20 Tage Haft. Schober flüchtete aber am 11.04.1937 nach Österreich und weiter in die Schweiz, wo er wegen Bettelns sechs Tage Gefängnis bekam und nach Österreich abgeschoben wurde. Dies berichtete die Geheime Staatspolizei München.[11] Am 20.10.1937 stellte sich Josef Schober der Rosenheimer Polizei, um seine Haftstrafe abzusitzen. Die Schutzmannschaft Rosenheim, Kriminalabteilung, schrieb am 29.10.1937 an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Traunstein: „Er würde am 7. November 1937 um 8.45 Uhr aus Strafhaft entlassen, es wird aber gegen ihn bestimmt Schutzhaftbefehl erlassen, so daß er weiter in Schutzhaft verbleiben wird.“[12]

Am 23.02.1938, nachdem im Gefängnis Bernau aus den 20 abzusitzenden Tagen vier Monate geworden waren, wurde Schober zum dritten Mal in das KZ Dachau gebracht und erhielt dort die Nummer 13543.[13] In den Akten befinden sich mehrere Briefe seiner Frau Margarete Schober, so einer vom 01.07.1938, in dem sie um Entlassung ihres Mannes bat. Ihr wurde meist mitgeteilt, dass ihrem Gesuch „aus sicherheitspolitischen Gründen noch nicht stattgegeben werden kann.“[14] Am 01.02.1939 wurde Josef Schober nach München transportiert und drei Tage später wieder nach Dachau zurückgebracht. Wahrscheinlich wurde er dort verhört.

Zwei Wochen später, am 16.09.1939, brachte man ihn aus dem KZ Dachau „an eine unbekannte Stelle“, wahrscheinlich wieder in das Gefängnis Bernau.

Nach fünf Wochen, am 24.10.1939, schrieb die Geheime Staatspolizei München an den Landrat des Kreises Rosenheim, Josef Schober wäre „am 17.10.1939 dem Ermittlungsrichter im Amtsgericht München überstellt, der am gleichen Tage gegen ihn Haftbefehl erlassen hat.“[15] Mit Schreiben vom 04.03.1940 an das Arbeitsamt Rosenheim ist vonseiten der Rosenheimer Polizei zu erfahren, dass sich Josef Schober im Strafgefängnis München-Stadelheim in Untersuchungshaft befinde.[16] Gegen ihn wurde der Verdacht der Vorbereitung zum Hochverrat erhoben. Am 31.10.1940 wurde Josef Schober vom Oberlandesgericht München zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Am 09.11.1940 trat er seine Strafe in Bernau an, die eigentlich bis zum 30.04.1941 dauern sollte. Entlassen wurde er am 03.05.1941, und zwar in das Polizeigefängnis München,[17] denn noch war sein Leidensweg nicht beendet. Aus Briefen seiner Frau geht hervor, dass sie gar nicht mehr wusste, wo sich ihr Mann überhaupt jeweils befand.

Am 09.06.1941 lieferte die Gestapo München ihn in das Konzentrationslager Flossenbürg ein. Dort wurde er jetzt zur Nummer 215.[18] Was er in den nächsten Monaten im KZ Flossenbürg erleben musste, bleibt im Dunkeln. Erst ein halbes Jahr später taucht sein Name in den Unterlagen des Konzentrationslagers wieder auf. Der SS-Standortsarzt von Flossenbürg unterschreibt eine „Ärztliche Bescheinigung“. Darin heißt es:

„Am 23. November 1941 um 10,15 Uhr verstarb im Häftlingskrankenhaus des K.L. Floßenbürg der vom 1. Schutzhaftlagerführer des K.L. Floßenbürg anerkannte Schutzhäftling Nr. 215 S c h o b e r, Josef, geboren am 30.9.1902 zu Kolbermoor, an Bauchfell-entzündung.“[19]

Josef Schober war 39 Jahre alt. „Bauchfellentzündung“ war eine der typischen Verschleierungsangaben, wenn die SS einen Häftling ermordet hatte.

Die allerletzte Aktennotiz über den Häftling 215, Josef Schober, ist datiert auf den 05.12.1941. Der Effektenverwalter des KZ Flossenbürg hatte für die Gestapo-Leitung München zusammengestellt, welche Habseligkeiten der Häftling bei der Einlieferung abgegeben hatte und die jetzt zu seinem Nachlass wurden.

Von Josef Schober blieben: ein Hut, ein Mantel, ein Rock, eine Hose, zwei Pullover, ein Hemd, eine Unterhose, ein Paar Schuhe, zwei Paar Strümpfe, zwei Kragen, zwei Binder, ein Paar Handschuhe, eine Zahnprothese, eine Brieftasche, div. Papiere, eine Invaliden-Versichertenkarte, vier Messer, zwei Geldbörsen, ein Feuerzeug, drei Spiegel und ein Wehrpass.[20]

Aus späteren Unterlagen ist zu erfahren, dass sich seine Asche seit dem 25.05.1947 in einer Aschepyramide und Aschengrube im „Tal des Todes“ der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg befindet.[21]


[1] Einlieferungsliste von 28 Rosenheimer Kommunisten in das KL Dachau am 26.04.1933, Nr. 8, Josef Schober, ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908532; Archiv KZ-Gedenkstätte Dachau: NARA Zugangsbuch Nr. 103/13537.

[2] StadtA Ro, Akten, I B 2, Ehemalige Melde- und Polizeiakten, Akte Josef Schober, Mel 5982, Blatt 15, Brief von Heinrich Klüber an Peter Kopp.

[3] Ebd., Propagandaaktion.

[4] StadtA Ro, Akten I 1–80, Bericht der Kriminalschutzmannschaft Rosenheim an den Stadtrat Rosenheim vom 23. August 1931, Teilnahme an Treffen vom 22.08.1931.

[5] StadtA Ro, Akten, I B 2, Ehemalige Melde- und Polizeiakte Josef Schober, MEL 5982, Fahrradkauf.

[6] Ebd., vermeintlicher Schweinediebstahl.

[7] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 6.3.3.2/102150873, Karteikarte.

[8] Einlieferungsliste von 28 Rosenheimer Kommunisten in das KL Dachau, ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908532.

[9] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/9908813, Liste der Bayerischen Politischen Polizei vom 18.07.1933.

[10] StadtA Ro, Akten, I B 2, Ehemalige Melde- und Polizeiakte Josef Schober, MEL 5982, Fehlen eines Wandergewerbescheins.

[11] Ebd., Bericht der Geheimen Staatspolizei vom 02.07.1940.

[12] Ebd., Schutzmannschaft Rosenheim an Oberstaatsanwalt Traunstein.

[13] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.6.1/130429182, 3. Einlieferung ins KL Dachau.

[14] StadtA Ro, I B 2, Ehemalige Melde- und Polizeiakte, MEL 5982, Josef Schober, Entlassungsgesuch seiner Ehefrau.

[15] Ebd., erneuter Haftbefehl.

[16] Ebd., U-Haft in München-Stadelheim.

[17] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.2.2.1/11537524, Polizeigefängnis München.

[18] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 6.3.3.2/102150881 sowie 1.1.8.1/10998419, Einlieferung in das KZ Flossenbürg.

[19] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.8.3/10996728, Ärztliche Bescheinigung für Johann Schober vom 23.11.1941.

[20] ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Copy of 1.1.8.3/10996726, Bericht des Effektenverwalters von Flossenbürg vom 05.12.1941 bezüglich des Nachlasses von Johann Schober.

[21] Mitteilung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg an Andreas Salomon vom 28.11.2022, Privatarchiv Andreas Salomon.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Andreas Salomon (16. April 2025). Josef Schober (Biografie eines Rosenheimer Kommunisten). Rosenheimer Miszellen. Abgerufen am 25. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13rfc


Andreas Salomon

Lokalhistoriker - im Bereich der Erinnerungs- und Gedenkkultur in Rosenheim und Umgebung - Räterepublik Kolbermoor

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